Ursprünglich gepostet am: 14. Oktober 2013 auf filmosophie.com

Ich schreibe selbst als Filmkritiker, aber über Film schreiben heißt nicht zwangsläufig, dass man das nur im Form einer Kritik oder Rezension machen muss. Dies geht auch aus film- und medienwissenschaftlicher Sicht. In meiner Kolumne “Back To The Film Studies” will ich mich daher aktuellen aber auch nicht aktuellen Filmen, Serien und ganzen Genres widmen und hier einzelne interessante Aspekte aus film- und medienwissenschaftlicher Sichtweise beleuchten und besprechen.

In gewisser Hinsicht ist die wechselhafte Geschichte der Institution Kino vergleichbar mit der des Kurfürstendamms. Genau wie die ersten Kinos, die in ehemaligen Läden und Geschäften ihre ersten Spielstätten fanden und zu Beginn noch etwas grobes, raues und verruchtes hatten, begann die Geschichte des Kurfürstendamms((Vgl. Schebera, Jürgen: „Damals in Neubabelsberg … Studios, Stars und Kinopaläste“. Leipzig: Edition Leipzig (1990), S. 63f.)): Als Knüppeldamm und somit als wenig prachtvolle Verbindungsstraße zwischen dem Berliner Stadtschloss und dem Jagdschloss im Grunewald, begann seine wechselvolle Geschichte. Erst im Jahr 1873, als Bismarck die Idee eines Prachtboulevards im Stil der Avenue des Champs-Élysées in Paris auch für Berlin hatte, sollte der Kurfürstendamm ein Ort des Flanierens werden und sich zu dem entwickeln, was er heute ist.((Vgl. Der Kurfürstendamm. Leben und Mythos des Boulevard in 100 Jahren deutscher Geschichte, S. 10ff.)) Fast um die gleiche Zeit, am 1. November 1895, bestaunten im Berliner „Wintergarten“ in Pankow die Zuschauer die ersten bewegten Bilder der Brüder Max und Emil Skladanowky und machten Berlin zu einer der Geburtsstätten den Films.((Vgl. Schebera, Jürgen: „Damals in Neubabelsberg … Studios, Stars und Kinopaläste“. Leipzig: Edition Leipzig (1990), S. 10f.)) „Seit den Anfängen 1895 [entwickelte] sich die Filmproduktion zum Industriezweig …. Während ihre Büros zumeist im Bereich der Friedrichstraße in Mitte und dem angrenzenden Kreuzberg … [lagen], [drängte] … es die Produktionsfirmen und Filmverleihe in den zehner Jahren zu repräsentativen und für sie werbenden Kinobauten. Der Neue Westen [bot] … sich als idealer Boden für Lichtspielhäuser an“((Bröcker, Martin: „Charlottenburg“. In: Hänsel, Sylviane/Schmitt, Angelika: „Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995“. Berlin: Dietrich Reimer Verlag (1995), S. 31 – 34, hier S. 33.)). Der Kurfürstendamm wurde damit zum Kinoboulevard Berlins.

Der Leser wird mir verzeihen wenn ich im Folgenden das Wort „Ich“ benutzen werde. Doch zuletzt bin ich es als Subjekt, das ins Kino geht: Ich setze mich in den Saal und wenn das Licht ausgeht, richte ich meine Augen auf die Leinwand. Ich lasse mich auf die Welt des Films ein. Ich sehe Geschichten und sehe Zeichen. Ich werde ein Teil des Kinoerlebnisses und am Ende, wenn das Licht wieder angeht und das Filmbild verschwunden ist, hat auch der Film Spuren in mir hinterlassen.
So möchte ich mit meinen Augen, meiner Fotokamera und einem Buch über Berliner Kinogeschichte in der Hand, diesen ehemaligen Kinoboulevard entlang flanierend, mich auf die Suche nach den Hieroglyphen an den Häuserwänden begeben – wie es auch schon Siegfried Kracauer beschrieb –, und nach den Zeichen und Spuren Ausschau halten, die noch von dieser vergangenen Epoche zeugen.

Meine Reise über den Kurfürstendamm beginnt am Adenauerplatz. Es regnet leicht und die Stimmung ist wenig getrübt. Der Verkehr an der Kreuzung ist dicht und die Bauten rund um die Kreuzung erinnern nur noch wenig an die eines Prachtboulevards. Blicke ich nach Westen, Norden und Süden, bestimmen Neubauten das Blickfeld. Sicherlich kein Wunder in dieser Stadt, in der kriegsbedingte baustädtische Wunden noch lange Jahre sichtbar waren und es immer noch sind. Nur wenn ich nach Osten schaue, den Kurfürstendamm hinab in Richtung Gedächtniskirche, sehe ich die prächtigen Häuser, die einst diese Straße gesäumt haben müssen. An diesem scheinbaren Kreuzungspunkt der Geschichte befand sich am Kurfürstendamm 71, heute ganz unscheinbar zwischen Insignien einer Kapitalgesellschaft, seit 1926 ein Kino mit dem Namen „Studio“((Vgl. Kinokompendium: Studio)). Ganz im Sinne ägyptischer Hieroglyphen erinnern still nur zwei runde Säulenpaare am Eingang an diesen kleinen Kinotempel.

Ich flaniere weiter gen Osten und treffe auf der linken Seite des Kurfürstendamms bei der Hausnummer 68 auf das Gebäude, das einst das 1921/22 entstandene Geschäfts-, Wohnhaus samt dem Kino „Alhambra“ beherbergte. Nur noch die Form des Gebäudes, mit seiner hervorgehobenen Front, erinnert an die Geschichte dieses Hauses. Von seiner prächtigen Fassade und seinem prächtigen Kinosaal für 1000 Zuschauer, wie er noch auf Fotos zu sehen ist, ist nichts mehr zu erkennen.((Vgl. Bröcker, Martin: „Alhambra“. In: Hänsel, Sylviane/Schmitt, Angelika: „Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995“. Berlin: Dietrich Reimer Verlag (1995), S. 36f.  / Vgl. Boerger, Peter: „Architektur der Lichtspieltheater in Berlin. Bauten und Projekte 1919 – 1930“. Berlin: Verlag Willmuth Arenhövel (1993), S. 44ff.)) Unscheinbar und versteckt hängt an einer der Seitenwände des Vorbaus dieses ungenutzten Gebäudes eine bronzene Tafel, dessen Inschrift daran erinnert, dass in diesem ehemaligen Kino am 17. September 1922 der von Hans Vogt, Joseph Massolle und Jo Engl entwickelte erste Tonfilm mit Lichttonverfahren zu sehen und zu hören war und dass in diesem Haus ein Stück Filmgeschichte geschrieben wurde. Einsam, unbemerkt, verstummt und fast wirklich ins Eck zum Verstauben gestellt, hängt diese inhaltlich wichtige Tafel an der Kachelwand, neben neuen, modernen Hieroglyphen, deren Sinn nur der Schreiber selbst kennt. Nur als ich anhalte um Fotos zu machen, bleiben auch andere Passanten stehen und lesen kurz die Inschrift.

Schnell wird klar, dass heute nur noch wenige Spuren von der damaligen Zeit Zeugnis sprechen. So auch am nächsten Haus, am Kurfürstendamm 64 – 65, in dem sich das 1954 erbaute Kino „Hollywood“ befand. Das Kino, das bis 1977 „Bonbonniere“ und bis 1983 „Cinema Berlin“ hieß, existiert nicht mehr.((Vgl. Bähr, Astrid: „Hollywood“. In: Hänsel, Sylviane/Schmitt, Angelika: „Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995“. Berlin: Dietrich Reimer Verlag (1995), S. 49.)) Der Glanz von Hollywood, ganz dem Namen treu, wo Stars und Sternchen funkeln, ist verschwunden und hat Platz gemacht für eine glitzernde Warenwelt. Doch bei genauerem Hinsehen finden sich noch ein paare Spuren: die Glasvitrinen auf dem Bürgersteig und die Neonröhren unter dem geschwungenen Vordach erinnern noch an ein Kino und laden zum Eintreten ein.

Ich passiere den Olivaer Platz und die Leibnitzstraße und merke, dass hier der Trubel, das geschäftige Treiben, doch immer noch so typisch für den Kurfürstendamm, zunimmt. Auch vor dem Haus Cumberland, dem ehemaligen Filmtheater Berlin, mit der Nummer 193 – 194. Das 1924 erbaute Gebäude, das immer wieder ein Kino u.a. mit schönen Namen wie „Palmenhaus-Kino“ beherbergte, versprüht einen Charme von Vergangenheit.((Vgl. Ritthausen, Marianne: „Filmtheater Berlin“. In: Hänsel, Sylviane/Schmitt, Angelika: „Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995“. Berlin: Dietrich Reimer Verlag (1995), hier S. 44f.)) Selbst wenn auch hier mittlerweile Edelboutiquen Einzug gehalten haben und kein Kino mehr vorhanden ist, spührt man hier noch den Charme der 20er Jahre und der Pracht, die die Straße zu der Zeit gehabt haben muss. Die Reliefs an den Häuserwänden und der mit Holz vertäfelte Eingang zum Café „Grozs“, erinnern mich ein bisschen an das Hotel eines Murnau Films und ich warte nur darauf, dass Emil Jannings in seiner Uniform durch die Tür schreitet, während drinnen die High Society der Stadt den Prunk der 20er Jahre feiert.
Ein paar Meter weiter, am Kurfürstendamm 197 – 198, erinnert nichts mehr an das 1956 errichtete Haus mit dem Kino „MGM“ mit seinen 1008 Plätzen, benannt nach der gleichnamigen Produktionsfirma.((Vgl. Holert, Simone: „MGM“. In: Hänsel, Sylviane/Schmitt, Angelika: „Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995“. Berlin: Dietrich Reimer Verlag (1995), S. 56.)) Ein Name, der genauso wie das Kino „Hollywood“ irgendwie in die Zeit der 50er Jahre passt, in der der Blick des Zuschauers vielmehr über den Atlantik gerichtet war, in Richtung USA und wo gerade das Widescreen-Kino die Kinosäle eroberte. Von prächtigen Filmen und deren genauso prächtigen Filmplakaten fehlt jede Spur. Das Kino, das bis 1977 in Betrieb war, ist nun einem nüchternen Bau gewichen, mit kleinen Bekleidungsboutiquen, in deren Schaufenstern sich nur noch die Schatten der Vergangenheit spiegeln.
Ein paar Meter weiter, wo mit dem Theater und der Komödie am Kurfürstendamm eine der wenigen Spuren des Unterhaltungsboulevards noch zu finden sind, befand sich das „Garten-Kinematographen-Theater“. Von 1913 an konnten hier die Berliner drei Jahre lang in einem der ersten Freiluftkinos bei einer picknickähnlichen Umgebung Filme unter freiem Himmel schauen.((Vgl. Vogt, Christina: „Garten-Kinematographen-Theater“. In: Hänsel, Sylviane/Schmitt, Angelika: „Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995“. Berlin: Dietrich Reimer Verlag (1995), S. 45.)) Heute ist davon nichts mehr zu sehen. Oder vielleicht doch: die verglaste Einkaufspassage des KuDamm Karrees mit all seinen Geschäften erscheint wie eine Art Gewächshaus, durch das man laufen und staunen kann und trotz der Anonymität die solch ein Nicht-Ort doch immer hat, wie eine stille und unbewusste Reminiszenz an seine eigene Geschichte ist.

Unweit des Karrees, an der Ecke Uhlandstraße/Kurfürstendamm, steht das sich immer noch in Betrieb befindliche „Cinema Paris“. Das „Maison de France“, in dem sich das Kino befindet und das im April 1950 von den französischen Alliierten eröffnet wurde((Vgl. Vogt, Christina: „Cinéma Paris“. In: Hänsel, Sylviane/Schmitt, Angelika: „Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995“. Berlin: Dietrich Reimer Verlag (1995), S. 40.)), unterscheidet sich in seiner Schlichtheit von den anderen, prunkvolleren Gebäuden in seiner Umgebung. Auf der weißen, sauberen Fassade, die schon fast der Neuen Sachlichkeit der 1920er entsprungen scheint, erinnern mich die bunten Buchstaben der Kinoanzeige ein wenig an die Stakkato Grafik auf dem von Clement Hurel gestalteten Plakat für Godards À bout de souffle, einem der wohl bekanntesten Filme der Nouvelle Vague.

Ich flaniere weiter und treffe am Kurfürstendamm 217 auf das Gebäude, das einst das Astor-Filmtheater beherbergte. Das renovierte Gebäude mit seinen beiden Türmen und dem kolonnenartigen Eingang erinnert mit seinem Eckeingang noch an seine frühere Funktion. Das zu Beginn als Kleinkunsttheater genutzte Gebäude war 1934 zum Filmtheater umgebaut worden((Vgl. Bröcker, Martin: „Astor-Filmtheater“. In: Hänsel, Sylviane/Schmitt, Angelika: „Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995“. Berlin: Dietrich Reimer Verlag (1995), S. 37f.)) und bis 2002 in Betrieb((Vgl. Kinokompendium: Astor)). Man kann hier leicht die Imagination spielen lassen, wie hier über dem Eingang die Stars von Filmplakaten herunter lachten und darauf warteten, von den Besuchern und Passanten bewundert zu werden. Auch heute ist das noch so. Zwar wollen auch diese Personen dort auf den Werbeplakaten über dem Eingang bewundert werden, jedoch sind es keine Filmstars mehr.

Auf der anderen Straßenseite stand bis zur Eröffnung des neuen Ladens ein schwarzer Block. Wie ein mysteriöses und mystisches Gebilde aus einer früheren Zeit, fast schon wie eine Pyramide, die ihr Geheimnis nicht preisgeben will, stand dieser schwarze Kubus vor der ehemaligen „Filmbühne Wien“. Auch die Sphinx ähnlichen Figuren, die auf dem Dach sitzen, erinnerten mich an eine Art ägyptischen Tempel. Es erscheint mir wie eine Art Ironie der Geschichte, dass sich dieses ehemalige Kino, welches im Jahr 1913 als Union Palast mit viel Prunk und reicher Innen- und Außendekoration eröffnet wurde((Vgl. Bröcker, Martin: „Filmbühne Wien“. In: Hänsel, Sylviane/Schmitt, Angelika: „Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995“. Berlin: Dietrich Reimer Verlag (1995), S. 42f,  vgl. Schebera, Jürgen: „Damals in Neubabelsberg … Studios, Stars und Kinopaläste“. Leipzig: Edition Leipzig (1990), S. 66 sowie vgl. Kinokompendium: UFA Film-Bühne Wien)) und damit Inbegriff des damaligen Massenentertainments war, in einen steril anmutenden Apple-Store, dem Paradebeispiel des neuen, digitalen Massenentertainments, verwandelt hat. Ein Ort, wo die Filme, die hier einst auf der großen Leinwand Premiere feierten, nun auf einem kleinen, tragbaren Bildschirm zu sehen sind.

Ich nähere mich langsam dem Ende meines Spaziergangs und komme an der Astor-Filmlounge vorbei. Das Kino, vorher unter dem Namen Filmpalast bekannt, ist an diesem Ort seit 1948.((Vgl. Kinokompendium: Astor Film Lounge)) Heute ist das Kino zu einem Erlebniskino geworden, in dem der Kinozuschauer in bequemen Sesseln und bei einem Glas Sekt in die Filmwelt eintauchen kann. In der Tat ein neues Kinoerlebnis. Überhaupt scheint auch diese Spielstätte symbolisch für die Zeitenwende der Kinos zu sein. So thront über dem Eingang das handgemalte Kinoplakat, als Reminiszenz an eine fast vergessene Kinotradition, des ersten Teils der Hobbit-Trilogie. Ein Filmepos, das nicht nur in 3D, sondern auch in HFR (Higher Frame Rate) zu sehen ist und mit 48 Bildern pro Sekunden und der damit einhergehenden visuellen Plastizität zweifelsohne eine neue Ära des Films eingeläutet hat.

Ich laufe weiter und überquere die Kreuzung mit der Hardenbergstraße. Auf der linken Seite des Kurfürstendamms entdecke ich, in mitten der leuchtenden Reklame der Läden und kaschiert vom grau des Gebäudes, die erloschene Leuchtreklame des Kinos „Gloria-Palast“. Wie der Name schon andeutet, sollte der Kinopalast Sinnbild für die glorreichen Zeiten des Kinos sein. Der ursprüngliche Bau, das Romanische Haus, beherbergte den in Zusammenarbeit mit der Ufa erbauten Gloria-Palast. Zur Eröffnung wurde hier Murnaus Tartüff aufgeführt und der Palast sollte „[…] ein Uraufführungstheater vornehmsten Stils“((Lippmann, Hans: „Vom Romanischen Haus zum Gloria-Palast“. Berlin, circa 1926, S. 8. Zitiert nach: Schebera, Jürgen: „Damals in Neubabelsberg … Studios, Stars und Kinopaläste“. Leipzig: Edition Leipzig (1990), S. 71.)) mit 1200 Plätzen werden.((Vgl. Schebera, Jürgen: „Damals in Neubabelsberg … Studios, Stars und Kinopaläste“. Leipzig: Edition Leipzig (1990), S. 71;  Vgl. Bröcker, Martin: „Gloria-Palast“. In: Hänsel, Sylviane/Schmitt, Angelika: „Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995“. Berlin: Dietrich Reimer Verlag (1995), S. 47f.)) „Bereits die im Erdgeschoss zum Kurfürstendamm gelegene Kassenhalle empfängt den Besucher mit stuckierten Wänden und Säulen. Sieben Treppenhäuser und drei Fahrstühle regeln den Zu- und Abgang. Von der Kassenhalle führt die Haupttreppe zum Wandelgang im Parkett. Stufen aus rötlichem Marmor, facettierte Spiegel sowie Kristallüster verbreiten bereits hier eine festliche Stimmung“((Bröcker, Martin: „Gloria-Palast „. In: Hänsel, Sylviane/Schmitt, Angelika: „Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995“. Berlin: Dietrich Reimer Verlag (1995), S. 47.)) [sic]. Doch der Krieg hat auch hier seine Spuren hinterlassen und so folgte der Ruine des Romanischen Hauses im Jahr 1953 ein grauer und wenig prunkvoller Bau. Die Spuren dieses letzten Kinos an diesem Ort sind aber noch zu sehen, und so finden sich neben der Leuchtreklame an der Front noch die geschwungenen Neonröhren über dem Eingang und die Kassenhäuschen, die heute hinter Kleiderständen versteckt sind.((Vgl. Bröcker, Martin: „Gloria-Palast, Gloriette“. In: Hänsel, Sylviane/Schmitt, Angelika: „Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995“. Berlin: Dietrich Reimer Verlag (1995), S. 48f.))

Auf der anderen Straßenseite steht das 1912/13 als Geschäftshaus mit Kino erbaute „Marmorhaus“, das bis 2001 mit 6 Sälen in Betrieb war.((Vgl. Kinokompendium: UFA Marmorhaus)) Seine mit Marmor verkleidete Fassade, in dessen hervorgehobenen Mitte die Plakate herunterhingen, spiegelt genau wie der Gloria Palast die Eleganz des Prachtboulevards wider.((Vgl. Bröcker, Martin: „Marmorhaus“. In: Hänsel, Sylviane/Schmitt, Angelika: „Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995“. Berlin: Dietrich Reimer Verlag (1995), S. 53ff.)) Doch hat auch hier mittlerweile eine Bekleidungskette Einzug gehalten, die von diesem eleganten Gebäude profitiert.

Hier, wo der Kurfürstendamm zur Tauentzienstraße wird, beende ich meine zweifelsohne unvollständige Reise über den ehemaligen Kinoboulevard von Berlin. Eben ein Flanieren. Die Glitzerwelt der Kinos, mit all seiner pompösen Pracht, ist der Glitzerwelt des Konsums gewichen und lässt das Kinoerlebnis, das hier einmal geherrscht haben muss, nur erahnen. Ein Wechsel, der irgendwie symbolisch für diese Stadt ist. Einer Stadt, die im stetigen Wandel und die, wie es Karl Scheffler in seinem Buch „Berlin, ein Stadtschicksal“ einmal beschrieb, dazu verdammt ist „[…] immerfort zu werden und niemals zu sein“((Scheffler, Karl: „Berlin – Ein Stadtschicksal“. Berlin: Fannei & Walz Verlag (1989), S. 219.)). Mit einem Blick auf die Baustelle des neuen Zoo-Palastes, der ähnlich wie der ehemalige Gloria-Palast oder auch das Kino es schon immer war, eine Art Erlebnisort werden soll, frage ich mich, wie die Kinozukunft des Kurfürstendamms aussehen wird.