Ursprünglich gepostet am: 2. November 2013 auf filmosophie.com
Andrew Bujalskis Berlinale 2013-Forumsbeitrag, der jetzt in die Kinos kommt und bereits auf dem Sundance Festival 2013 lief, ist definitiv ein unkonventioneller Film und man muss schon ein bisschen ein Nerd sein, um diesen Film zu mögen.
Der Film erzählt die Geschichte einer Gruppe von Schachprogrammierern mit ihren tollkühnen Apparaten, die in einem kleinen amerikanischen Provinzhotel Anfang der frühen 1980er Jahre nicht nur im Duell Maschine gegen Maschine herausfinden wollen, welche die beste Apparatur ist, sondern auch der ewigen Frage nachgehen, ob und wann eine Maschine einen Menschen im Schach überflügeln wird. Bujalski fokussiert sich in seinem Film auf das Wochenende des Turniers und entführt den Zuschauer in eine Schwarzweißwelt der schlechten Haarschnitte und der nerdigen und doch liebenswerten Typen, deren wohl einziger Lebensinhalt die Welt des Computerschachs zu sein scheint. Doch bald stellt sich heraus, dass die scheinbar unfehlbaren Maschinen durchaus menschliche Züge offenbaren und statt die perfekte Strategie für das Schachspiel zu berechnen, auf dem Spielbrett lieber Schach-Selbstmord begehen, weil sie nicht gegen anderen Maschinen spielen wollen und damit ihre Programmierer in die Verzweiflung treiben. Parallel zu den Schachprogrammierern tagt auch eine Selbstfindungsgruppe und Vertreter der freien Liebe in diesem Hotel, und so kreuzen sich unweigerlich die Wege dieser beiden Gruppen, die nicht unterschiedlicher sein könnten. So ist der Film auch die Geschichte von Selbstfindungstrips unterschiedlichster Art, wie die des jungen aber schüchternen Programmierers Peter Bishton (Patrick Riester), der an diesem Wochenende zwischen all den Maschinen seine ersten zaghaften Kontakte mit dem anderen Geschlecht macht.
Computer Chess, der im Stil eines 4:3 S/W Videos gedreht wurde (im Film ist zwar die Portapak Kamera von Sony zu sehen, der Film selbst wurde jedoch auf 16mm gedreht) und somit die Technik der 1980er reproduziert, kommt wie eine Art Zeitkapsel der damaligen Epoche daher, und präsentiert sich stellenweise wie eine Dokumentation dieser skurrilen Konferenz. Bujalskis Film ist wie ein Schachspiel, irgendwie unberechenbar und unkonventionell, doch bei genauerem Hinsehen mehr als nur ein verspieltes Werk. Er präsentiert sich wie eine Betrachtung unseres menschlichen Lebens und zeigt, dass die Menschen und ihre Computer mehr gemeinsam haben als es im ersten Moment den Anschein hat. Genau wie ihre von Algorithmen bestimmten Maschinen, befinden sich auch die Menschen in ihrem Leben ab und zu mal in gefühlten Endlosschleifen, aus denen es keinen Ausweg zu geben scheint und Wiederholung die Situation bestimmt.
Auf der anderen Seite ist es auch nicht verwunderlich, dass die Maschinen sich in einem „Kriegsspiel“ wie Schach weigern, gegen ihresgleichen zu kämpfen, genauso wie es auch ein (vernüftiger) Mensch tun würde. Oder vielleicht sind die Maschinen den Menschen in dem Punkt sogar voraus. Wenn auch mit einem ironischen Augenzwinkern, kommt daher die Frage nach der militärischen Bedeutung ihrer Arbeit, die die Programmierer eines Abends konspirativ bei Zigaretten und Cannabis in einem Hotelzimmer diskutieren, nicht von ungefähr.
Folgerichtig zur Parallele zwischen Mensch und Maschine, findet sich eines Abends Programmierer Beuscher (Wiley Wiggins), mit einer Art „Computer-Kind“ und der fast schon existenziellen Frage konfrontiert, die auch eben schon Kubrick in 2001: A Space Odyssey thematisiert hat: haben Computer eine Seele oder sind sie gar menschlich? Oder anders gefragt, wenn das „Sternen-Kind“ in 2001 als die Zukunft des Menschen im Weltall zu sehen ist, heißt das dann, dass das „Computer-Kind“ in Computer Chess für eine zukünftige Lebensform zwischen Mensch und Maschine steht und das in einer Welt, in der die Trennlinie zwischen Mensch und Maschine immer mehr verschwindet?
Kinostart: 7. November 2013
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