Ursprünglich gepostet am: 10. Dezember 2013 auf filmosophie.com

Wer hatte das nicht schon einmal in seinem Leben: Momente, in denen man sich in Tagträume flüchtet und dort der Held ist, der man in wahren Leben nicht ist. Man vollbringt in diesen Tagträumen die tollsten und unglaublichsten Dinge, während man im echten Leben eigentlich nichts Besonderes und vor allem nichts Erwähnenswertes erlebt hat.
Walter Mitty (Ben Stiller) ist ein Durchschnittsmensch. Er wohnt in einer fast schon genormten Wohnung in einem anonymen Hochhaus und wenn er nicht seine graue, durchschnittliche Kleidung tragen würde, würde man ihn in der Masse der schwarzgekleideten Anzugträger in New York vielleicht gar nicht bemerken. Walter ist ein Einzelgänger, der seit Jahren im Fotoarchiv des ehrwürdigen Life! Magazin arbeitet.
Um seinem grauen und unspektakulären Alltag zu entfliehen, flüchtet er sich in heldenhafte und romantische Tagträume, in denen er der Held ist, der er eigentlich nicht ist und die Abenteuer erlebt, die er selbst gar nicht erlebt hat. Einziger Lichtblick ist die neue Kollegin Cheryl (Kristen Wiig), die Walter aus der Ferne bewundert und anhimmelt.
Eines Tages wird klar, dass Life! zukünftig nur noch online erscheinen und eine letzte Printausgabe herausgebracht werden soll, die auf dem Titel ein Bild des berühmten Life!-Fotografen Sean O’Connell (Sean Penn) zeigen soll. Doch das besagte Bild, Bild 25, das an Walter geschickt wurde, ist verschwunden. Motiviert durch Cheryl macht sich Walter auf die detektivische Suche nach O’Connell, von dem eigentlich niemand richtig weiß, wo er sich gerade aufhält. Die Suche nach dem verlorenen Foto und O’Connell beschert Walter nicht nur ein Abenteuer, das er sich wohl nie erträumt hätte, sondern bringt ihn auch dazu, seine eigenen Grenzen zu überschreiten und die Welt neu zu entdecken.

So viel sei an dieser Stelle schon gesagt: wer sich von den ersten 10 bis 15 Minuten nicht entmutigen lässt, wird mit Das erstaunliche Leben des Walter Mitty eine schöne und vor allem wohltuende Neuauflage des gleichnamigen Films aus dem Jahr 1947 sehen. Denn gerade in der ersten Viertelstunde, die dafür da ist, die Figuren und ihre Charaktere zu etablieren, droht der Film stellenweise Richtung mittelmäßige und zwar spaßige, aber recht seichte Komödie abzudriften. In dieser ersten Viertelstunde beschreibt der Film das Leben von Walter mit all seinen Tagträumen in den unterschiedlichsten Situationen. Amüsant, aber gefühlt ein bisschen zu viel. Doch wie gesagt, wer durchhält, wird belohnt.

Im Grunde genommen ist die Botschaft des Films einfach und simpel: Lebe dein Leben, fass dir ein Herz und erkunde die Welt, die um dich herum ist. Vor allem aber: jeder kann ein Held sein. Da wird der Originaltitel (The Secret Life of Walter Mitty) dem Thema eigentlich gerechter, denn echte Helden sind Helden in der wahren Welt, sie stellen sich dem Leben und das nicht im Geheimen der eigenen Träume. Sie sind wie der von David Bowie besungene Major Tom, der sich ins Unbekannte aufmacht und wahren Mut beweist. Und zu erkennen, dass das Leben das größte Abenteuer ist und sich dem zu stellen – trotz seiner Angst und sicheren Gefilde –, können vielleicht nur echte Helden.

Ein weiterer Pluspunkt ist die Bildsprache des Films. Er punktet nicht nur durch spektakuläre und schöne Bilder, sondern behält die richtige Balance der Bildsprache. Ich habe mir dahingehend Ausschnitte aus der Version von 1947 angeschaut und dabei gemerkt, dass die Traumwelt von Walter Mitty dort wirklich wie eine unrealistische Traumwelt inszeniert ist. Sie ist nicht unrealistisch, weil sie schlecht gemacht ist, sondern weil sie eben eine Traumwelt ist und all die Eigenschaften hat, die man in der realen Welt einfach nicht vorfinden würde und vorfinden kann. In der Version von 2013 wird durch die wohl dosierten Übergänge zwischen Realität und Traum, also zwischen der Bildsprache, die für Walters unglaubliche Tagträume steht und der, die für die wahre Welt steht, die Veränderung von Walters Selbstbewusstsein eindeutiger und eindringlicher.

Vielleicht sind die einfachsten Botschaften die Besten. Das Schöne an diesem Film von und mit Ben Stiller ist, dass er diese einfache Message auf völlig unkitschige, aber doch eindringliche Weise vermittelt. Vielleicht zählt die Geschichte um Walter Mitty und seinen Abenteuern auch zu den Filmen, die man in bestimmten emotionalen Momenten im eigenen Leben besser empfängt als in anderen. Wer sich aber auf den Film einlässt, wird einen Film sehen, der besonders an grauen Wintertagen gut tut und einen Soundtrack hat, der einem den einen oder anderen Ohrwurm beschert. Ja, es stimmt doch, dieses „Lebensmotto“, das immer wieder im Film vorkommt:

„To see things thousands of miles away, things hidden behind walls and within rooms, things dangerous to come to…to draw closer…to see and be amazed“

Kinostart: 1. Januar 2014