Ursprünglich gepostet am: 09. März 2014 auf filmosophie.com
Kann man in einem einzigen Film eine Antwort auf eine moralische Frage finden, die sich bei jedem Krieg stellt? Trotz des Todes seines Bruders, meldet sich Bundeswehrsoldat Jesper (Ronald Zehrfeld) zum Dienst für Afghanistan. Er erhält mit seiner Truppe den Auftrag, einen Außenposten in einem kleinen Dorf vor dem wachsenden Einfluss der Taliban zu schützen. Dabei wird ihm der junge Afghane Tarik (Mohsin Ahmady) als Dolmetscher zur Seite gestellt. Jesper und seine Truppe versuchen mit der Hilfe von Tarik, das Vertrauen der Dorfgemeinschaft und der verbündeten afghanischen Milizen zu gewinnen. Doch mehr als einmal zeigt sich, dass sich hier zwei unterschiedliche Welten begegnen und diese nicht immer miteinander vereinbar sind. Als Tarik, der als vermeintlicher Kollaborateur von den Taliban bedroht wird, seine Schwester in Sicherheit bringen will, geraten die Dinge außer Kontrolle. Am Ende wird klar, dass es noch eine lange Zeit brauchen wird, bis sich die verschiedenen Welten zusammen schließen – und dies nicht nur in Hinblick auf die Soldaten und die Afghanen, sondern auch innerhalb des afghanischen Volkes selbst.
Wenn ich einen Film anschaue, dann bleibt mir der Kontext in dem ich diesen gesehen habe meistens auch in Erinnerung. Zwischen Welten von Feo Aladag habe ich in der Pressevorführung auf der diesjährigen Berlinale gesehen. Das Licht ging danach an, die Leute klatschten, doch zu meiner Verwunderung gab es auch Buhrufe. Ich konnte mir nicht erklären warum. Aus irgendeinem Grund kam mit der Gedanke in den Kopf, dass es verpönt sei, als deutscher Filmemacher einen Film über den Krieg in Afghanistan zu machen. Keine Ahnung, warum mir dieser Gedanke kam. Es war ein Gefühl und eine logische Antwort konnte ich darauf auch nicht finden. Als ich kurz danach mit unserem Gastautor patrick vor dem Berlinale-Palast stand, diskutierten wir darüber, dass auch er einen ähnlichen Gedanken hatte und es eigentlich nicht sein darf, das Leute sofort einen Film kategorisch ablehnen und ihn mit Buhrufen strafen. Eine Antwort warum die Buhrufe aber tatsächlich kamen, haben wir nicht gefunden. Vielleicht kann einer der Kritikerkollegen mal seine Eindrücke der Pressevorführung schildern.
Die Situation hat mir aber eine Sache vor Augen geführt, die ich zu Beginn vielleicht auch ein bisschen verdrängt hatte. Der Film leidet unter einem Problem, das er eigentlich nicht selbst verschuldet hat. Es ist nichts Falsches daran, einen Film aus deutscher Sicht über den Afghanistankrieg zu machen, denn davon gibt es eigentlich zu wenige. Warum dürften, sollten oder könnten wir also nicht solche Filme machen können? Damit wären wir wieder bei der Eingangsfrage und die Diskussion wäre vielleicht zu lang, um sie hier fortzuführen. Das Problem ist aber, dass ein Kriegsfilm, ob amerikanisch oder deutsch, nicht mehr um die moralisch richtige aber fast schon überpräsente Frage herumkommt: Was gibt uns das Recht, als Armee in diesem Land zu sein? Spätestens seit dem unter falschem Vorwand vollzogenen Einmarsch im Irak, ist die Frage aus der öffentlichen Meinung nicht mehr wegzudenken. Auch der Film von Feo Aladag wirft diese Frage mehr als einmal auf. Gerade weil er aber sich die Frage stellt, katapultiert er sich damit ungewollt in ein Labyrinth, aus dem er sich selbst nicht mehr befreien kann. Er ist buchstäblich zwischen den Welten gefangen. Am Ende findet er keine Antwort auf dieses Dilemma. Und gerade weil er sich die bewusste Frage stellt, scheint sie im Film auch überpräsent zu sein und man bekommt das Gefühl, man würde sie am liebsten gar nicht mehr hören wollen. Das scheinbar immer etwas leidende Gesicht von Ronald Zehrfeld spricht in dieser Hinsicht Bände.
Ich musste bei der Sichtung auch immer wieder an Kathryn Bigelow und ihre Streifen The Hurt Locker und Zero Dark Thirty denken. Auch in ihren Werken schwingt die Frage nach der Präsenz von ausländischen Truppen im Irak und in Afghanistan immer wieder mit, doch im Gegensatz zu Zwischen Welten bleibt sie dort unausgesprochen. Bigelow lässt die Bilder sprechen und die genannte Frage wird nur durch die Handlung und die Aktionen in den Raum geworfen, dabei aber nicht in Worte gefasst, so dass sie auch nicht greifbar wird. Die Antworten auf die Fragen, auf die es scheinbar keine Antwort geben kann, kommen auf paradoxe Weise erst dann, wenn man die Fragen gar nicht erst ausspricht und so konkret fassbar macht. Die Fragen können sich nur selbst beantworten, indem der Film die Absurdität des Kriegs filmisch darstellt und sie nicht auf eine moralische Diskussionsebene hebt.
Ich möchte aber den Film von Aladag nicht schlecht reden. Auch wenn das Thema „Zwischen Welten“ stellenweise überstrapaziert wird, zeigt der Film sehr anschaulich, wie in diesem Krieg immer zwei oft gegensätzlich unterschiedliche Welten aufeinander prallen und diese stellenweise auch parallel existieren. Am besten zeigt es wohl das Leben von Tariks Schwester Nala (Saida Barmaki): Tarik fährt sie jeden Tag zu Universität. Da sie aber in der Öffentlichkeit ist, muss sie (immer noch) eine Burka tragen. Doch sobald sie innerhalb der Universität ist, legt sie diese ab und kann studieren – was in zweifacher Hinsicht ein Gegensatz zur gesellschaftlichen Situation darstellt. Ebenfalls hervorzuheben ist die Tatsache, dass Aladag und ihr vorrangig aus Frauen bestehendes Team sich selbstbewusst und souverän dem Thema unter schwierigen Bedingungen nähern und dabei auch einen eigenen Stil für das Thema finden, der sich nicht auf die immer wiederkehrenden typischen Kameraeinstellungen Hollywoods stürzt. Am besten verdeutlicht dies wohl die szenische Umsetzung des Überfalls auf den Konvoi am Ende des Films.
Kinostart: 27. März 2014
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