Ursprünglich gepostet am: 01. August 2014 auf filmosophie.com

Wie ich schon angedeutet hatte, habe ich in meinem letzten Artikel zu den Zeitreisemodellen nur an der sprichwörtlichen Spitze des Eisbergs gekratzt und nur ein paar der Möglichkeiten aufgezeigt, mit denen Filme Zeitreisen darstellen. Wirft man darüber hinaus einen Blick auf die deutschsprachige Literatur zum Thema der Zeitreise im Film, fällt auf, dass man die Literatur dazu fast schon an zwei Händen abzählen kann.
Doch nun erscheint das Buch „Zukunft war gestern. Zeitreisemodelle im Film“ von Henriette Nagel, das ein weniger mehr Licht ins Dunkle bringen kann.

Gleich zu Beginn des Buches fällt auf, dass Nagel sich zwar auf Thomas Elsaesser, Warren Buckland und David Bordwell, also auf die englischsprachigen Filmwissenschaftler bezieht, die sich mit diesem Narrationsprinzip befasst haben, für ihr Buch aber einen eher weniger filmwissenschaftlichen Stil wählt. Während der filmwissenschaftliche Diskurs sich mehr mit den narrativen Prinzipien solcher Filme befasst – die Thomas Elsaesser als „Mind-Game-Filme“ beschreibt -, fokussiert sich Nagel auf die Funktionsweise der verschiedenen Zeitreisemodelle. Eine Entscheidung, die man durchaus diskutieren kann und auch nicht immer unterstützen muss. In Anbetracht der Komplexität mancher im weiteren Verlauf des Buches beschriebenen Zeitreisemodelle, scheint die Wahl aber durchaus sinnvoll zu sein, denn eine zu wissenschaftliche Betrachtungsweise würde das ohnehin schon abstrakte und verwirrende Thema nur noch mehr verkomplizieren.

Dahingehend beginnt Nagel zu Recht ihre Ausführungen mit einem zwar kurzem aber interessanten und vor allem notwendigen Blick in die gängigen Zeitreisemodelle der Wissenschaft wie z.B. die der Theorie des Paralleluniversums oder die des selbstkonsistenten Universums. Dabei bezieht sie sich auf bekannte Größen wie die Physiker Stephen Hawking, Richard Gott und Igor Novikov.
Basierend auf diesen Erkenntnissen aus der Wissenschaft und den dadurch entstanden Blickwinkel auf das Phänomen der Zeit, unterteilt Nagel die Zeitreisefilme in verschiedene Kategorie und widmet sich ausführlich und vor allem verständlich jedem der einzelnen Filme die sie für ihr Buch ausgewählt hat. Das gute bei der Auswahl ist, dass die Autorin neben „Klassikern“ wie Die Zeitmaschine (1960), Zurück in die Zukunft I (1985), Bill & Teds verrückte Reise durch die Zeit (1988) auch neuere Beispiele analysiert wie z.B. Déjà Vu – Wettlauf gegen die Zeit (2006) von Tony Scott oder Star Trek (2009) von J. J. Abrams.
Interessant ist hier zu beobachten, dass sich in den Kategorien und Gruppen die aufgestellt wurden, sich nur erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen völlig verschiedenen Filmen aufmachen, sondern auch Filme wiederfinden lassen, die man eigentlich gar nicht als Zeitreisefilme in Betracht gezogen hatte wie z.B. Jumanji von 1995.
Ein weiterer Pluspunkt der Ausführungen in diesem Buch sind die graphischen Darstellungen der verschiedenen Zeitmodelle der diskutierten Filme und die stellenweise auch notwendig sind.

Wie bereits erwähnt, ein Kritikpunkt dem man dem Buch machen könnte, ist die nicht filmwissenschaftliche Herangehensweise an das Thema. Trotzdem erfährt man auch so nicht nur viel über die Filme selbst, sondern auch über die Dramaturgie des jeweiligen Films, die unweigerlich mit dem Zeitreisemodell verbunden ist und den Plot des Films natürlich bedingt. Gerade weil Nagel den Blick auf die Dramaturgie wirft, dies aber nicht unter dramaturgischen Gesichtspunkten macht, fallen die Schlussbemerkungen und Betrachtungen am Ende des Buches leider zu kurz aus, um überhaupt der Komplexität des Themas und der Verbindung zwischen Zeitreise und der dramaturgischen und vor allem gestalterischen Entwicklung und Beschaffenheit eines Films gerecht zu werden.

Am Ende bleibt zu sagen, dass „Zukunft war gestern. Zeitreisemodelle im Film“ ein interessantes und gelungenes Buch ist, das man durchaus als soliden und eigenständingen halb-wissenschaftlichen Beitrag sehen kann. Aus filmwissenschaftlicher Sicht reicht Nagels Buch leider jedoch nicht an die anderen Bücher von Elsaesser und Co. zu diesem Thema heran, bleibt jedoch eine fundiert und durchaus sinnvolle Ergänzung und Erweiterung dieser Werke und dieses spannenden Themas.

Das Buch ist seit Anfang Juli 2014 beim Mühlbeyer Filmbuchverlag als E-Book (9,99 Euro) oder Printausgabe (12,90 Euro) erhältlich.