Ursprünglich gepostet am: 17. Juni 2015 auf filmosophie.com

Eric Lomax (Colin Firth) ist kein Mann der vielen Worte. Züge und Bahnstrecken interessieren ihn mehr als Menschen, und auch das Lachen gehört nicht zu seinen Stärken. Das ändert sich, als er die die warmherzige Krankenschwester Patti (Nicole Kidman) kennen lernt. Die beiden verlieben sich, und zum ersten Mal seit vielen Jahren hält das Glück Einzug in Erics Leben. Zwar spürt Patti, dass ihm etwas auf der Seele lastet, aber sie wagt nicht, Eric damit zu konfrontieren.

Doch auch nach der Hochzeit kann Eric sich nicht öffnen. Er wird von Alpträumen geplagt und verschließt sich ausgerechnet vor der Liebe seines Lebens. Erst Erics alter Freund Finlay (Stellan Skarsgård) erzählt Patti, was ihren Mann quält: Es sind die düsteren Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, als die beiden britischen Soldaten nach der Eroberung Singapurs in japanische Gefangenschaft gerieten und als Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen beim Bau der Eisenbahn von Birma nach Thailand mitwirken mussten. Patti nimmt sich vor, Eric ein für allemal zu erlösen. Doch als Eric erfährt, dass sein einstiger Peiniger Nagase (Hiroyuki Sanada) noch am Leben ist, bricht er voller Hass und Rachegefühle auf.

Nein, kein britisch-patriotisches, ermutigendes Pfeifkonzert hallt hier durch den asiatischen Dschungel. Die Männer singen und pfeifen nicht auf ihrem Weg zum Bau der Eisenbahnstrecke, die heute als die Thailand-Burma-Eisenbahn bekannt ist. Die Männer die hier zu sehen sind, sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ausgemergelt, schwach und mehr tot als lebendig. Schon damals im Dschungel sind sie nur noch eine Armee aus Geistern und sie sind es umso mehr, wenn sie nach ihrer Gefangenschaft wieder daheim sind. Allen voran Eric Lomax. Wie seine Kameraden, ist auch Lomax nie wirklich aus dem Krieg zurückgekommen. Ein bisschen wie Humpty Dumpty, der nicht mehr ganz in einem Stück ist.

Ja, dieser Film hat wieder einen dieser deutschen Verleihtitel, die nur wenig mit dem Inhalt zu tun haben: Der Originaltitel The Railway Man – der auf dem Buch von Eric Lomax basiert und seine Erlebnisse in der Gefangenschaft schildert – ist eigentlich vieldeutiger und verbundener mit der Geschichte als der deutsche Titel. Es ist sind daher auch nicht die Liebe zu seiner Frau Patti oder die Eisenbahn als Leidenschaft, die das zentrale Thema des Films sind. Es ist Lomax selbst. Er ist das Zentrum des Films und es ist Firth und seiner Leistung zu verdanken, dass die Figur eine emotionale Tiefe hat, die selten erreicht wird. All die anderen Figuren, sei es seine Frau oder sein Kriegskamerad Finlay, sind nur Nebendarsteller oder Katalisatoren für die Evolution von Lomax. Ganz dem verschlossenen Charakter der Figur entsprechend, ist die Mimik von Colin Firth daher auf ein Minimum reduziert. Doch trotz dieser wenigen Emotionen die auf seinem Gesicht zu lesen sind, merkt man, welch kaputte Seele hinter der Fassade steckt und es reicht schon eine kleine Regung um das zum Ausdruck zu bringen. Und die Momente, in denen der Damm bricht und Firth in Tränen ausbricht sind umso bewegender.

Doch der Film hat mehr als nur die tolle Schauspielleistung von Colin Firth zu bieten. Die Stärke des Films ist seine Unkonventionalität. Sie fängt schon bei der Gestaltung der verschiedenen Zeitlinien an, die – man muss es zugeben – stellenweise hin und her springen und doch den Zuschauer gekonnt gewollt auf kurz auf falsche Fährten locken. Somit schafft es Regisseur Jonathan Teplitzky einen zu Beginn ungewöhnlichen, aber doch mit der Zeit interessanten Stil zu entwickeln.

Der Film punkte vor allem aber auch in seinem Umgang mit dem Grundthema Schuld und Sühne. Es wäre naheliegend als Opfer seinem Peiniger mit der gleichen Gewalt zu antworten, die man selbst erfahren hat. Doch das Wiedersehen, der Showdown zwischen Lomax und seinem Peiniger Takashi Nagase endet bei Teplitzky nicht in Gewalt: er endet schließlich im Dialog und ist somit ein interessanter Gegensatz zu harten Darstellung des Lagerlebens im Rest des Films. Und so ungewöhnlich der Dialog auch auf den ersten Blick erscheinen mag, wird klar, dass beide Seiten ihre seelischen Wunden seit dieser Zeit mit sich tragen und jeder der beiden etwas von sich dort im Dschungel gelassen hat. Dort, wo jede Menschlichkeit verloren gegangen.

Ja, Lomax hat Recht wenn er sagt, dass der Grund warum niemand mehr darüber spricht, der ist, dass das was dort passiert ist einfach unbeschreiblich, unbeschreiblich grausam ist. Man könnte meinen, dass dadurch die Schuld, die eindeutig bei den Peinigern liegt, relativiert wird. Aber im Gegenteil, der Film befreit niemandem von seiner Schuld. Die Figuren sind damit allein und nur sie selbst können sich davon befreien. Der Film zeigt einen einfachen und doch immer wieder vergessen Weg aus dem Irrgarten des Hasses, der über diesem vergessenen Kapitel der Geschichte lastet. Und so endet der Film in einer stillen und höchst emotionalen Szene der Vergebung und kombiniert mit der stillen und doch starken Leistung von Firth, treibt sie die Tränen in die Augen.

All the king’s horses and all the king’s men, couldn’t put them together again – only themselves.

Kinostart: 25. Juni 2015