Ursprünglich gepostet am: 29. November 2015 auf filmosophie.com

Es ist die auf einer wahren Begebenheit beruhenden Geschichte von Lili Wegener (Eddie Redmayne), die als Mann Einar mit Ehefrau Gerda (Alicia Vikander) ein bewegtes Künstlerleben im Kopenhagen der zwanziger Jahre lebt. Als die anfangs noch erfolglose Malerin Gerda sie schließlich bittet, als weibliches Modell zu posieren, erfahren die daraus resultierenden Portraits einen ungemeinen Anklang. Es scheint, als ob Gerda endlich die Muse gefunden hat, die sie zu ihrer wahren Meisterleistung inspiriert. Währenddessen entwickelt Lili eine ganz eigene Liebe, zu dieser anderen, neuen Seite an sich. Die Liebe zu Lili Elbe, die Frau, als die sie leben möchte. Immer mehr wächst in Lili der unbändige Wunsch heran, vollständig und damit auch körperlich künftig als Frau zu leben… Doch was bedeutet dieser Schritt für ihr gemeinsames Leben, ihre Sehnsüchte und somit auch für ihre Ehe?

Es ist selten, dass ein Film die sonst eher unterkühlte Kritikerzunft zu Tränen rührt und man in der Pressevervorführung immer wieder das Rascheln der Taschentücher hört. Und auch nicht zu Unrecht honorierten die Zuschauer in Venedig den Film von Hooper mit minutenlangen Standing Ovations, der auch als ein heißer Oscarkandidat gehandelt wird.

Wie auch schon in The King’s Speech (2010) und – auch trotz der opulenteren Ausstattung – Les Misérables (2012), knüpft Tom Hooper an seine Tradition der kammerspielartigen Historienfilme an. Es ist gerade diese Art der Inszenierung, die es erlaubt den Figuren und Geschichten ganz nah zu sein. Und so verzichtet auch The Danish Girl zum größten Teil auf Panoramaaufnahmen und Massenszenen.

Dass Hooper sein Handwerk versteht, zeigt der Film mehr als eindeutig, doch das eigentliche Highlight des Film ist brilliante, oder wie es Matthias Greuling von der Wiener Zeitung fomuliert hat, glühende Darstellung von Eddie Redmayne von Einar Wegener bzw. Lili Elbe – der nach Les Misérables hier wieder mit Hooper zusammenarbeitet. Spätestens seit seiner Darstellung von Stephen Hawking in The Theory of Everything (2014), ist klar, dass Redmayne nicht nur ein heißer Oscarkandidat ist, sondern auch ein Schauspieler, der voll und ganz in seine Rollen eintaucht. So auch in The Danish Girl, mit einer schauspielerischen Leistung die unter die Haut geht.
Klar, dem Sujet, der Interpretation der Weiblichkeit, kommt natürlich die dünne, wenn nicht sogar grazile Statur von Redmayne zu Gute. Doch Redmayne schafft es gleich von Beginn an die verborgene Begierde die in Einar Wegener wohnt auf das Beste darzustellen. So wird dem Zuschauer schon seit der ersten Minute klar, als Einar unbewusst aber nicht weniger sinnlich mit der Hand über die Frauenkleidung in einem Kopenhagener Theater streicht, dass in dieser Person eine versteckte Begierde steckt, die er noch nicht entdeckt hat. So versprüht die Interpretation von Redmayne, gepaart mit der Schauspielführung von Hooper und der gekonnten Kameraarbeit von Danny Cohen, in jeder Einstellung einen unwiderstehlichen Reiz des verbotenen und des unterdrückt sexuellen, das mit jeder Filmminute mehr an die Oberfläche kommt. Das reicht vom Glitzern in den Augen bis hin zum Überziehen der Strumpfhosen, die sinnlich über die blassen Beine von Einar Wegener gezogen werden.
Es ist dieser Inszenierung und der Dramaturgie zu verdanken, dass der Zuschauer von Beginn an in die Entwicklung, oder besser in die Verwandlung der Hauptfigur hineingezogen wird und somit die Höhen und vor allem Tiefen erlebt.

Neben Redmayne brilliert aber auch Alicia Vikander, die schon auf der Berlinale 2011 mit dem European Shooting Star Award ausgezeichnet wurde. Als Ehefrau Gerda Wegener, ist sie auf schmerzhafte Art und Weise zwischen der Liebe für ihren Mann und ihrem beruflichen Zukunftswunsch als Malerin gefangen und hin und her gerissen. So ist ihr Ehemann nicht nur ihr Ehemann, denn sie trotz oder gerade wegen seiner Verwandlung und seiner Bedürfnisse liebt, sondern das Model für ihre erfolgreichen Bilder und somit Quelle der Inspiration. Am Ende steht die künstlerische Karriere hinten an und sie verzichtet aus Liebe zu Gunsten von Einar/Lili auf eine Zukunft als gefragte Malerin.
Dahingehend ist The Danish Girl am Ende nicht unbedingt ein Lehrstück über Toleranz für die sexuelle Vielfalt, sondern vielmehr ein sehr sehenswertes Lehrstück über die Liebe, die über die Geschlechtergrenzen hinausgeht und die gesellschaftlich etablierten Geschlechterkonstellationen sprengt. Ja, in The Danish Girl geht es um Liebe, Inspiration und am Ende auch um Erlösung – für beide Seiten und die ans Herz geht.

Kinostart: 07. Januar 2016