Ursprünglich gepostet am: 05. Juni 2016 auf filmosophie.com
Genesis Potini (Cliff Curtis) – Spitzname Dark Horse – leidet unter einer Bipolaren Störung und seit vielen Jahren Psychiatriepatient. Seine Ärzte sind überzeugt, dass er kaum in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen. Als er wieder einmal aus der Klinik entlassen wird, sucht er deshalb Unterschlupf bei seinem Bruder Ariki (Wayne Kapi). Der jedoch ist Mitglied einer kriminellen Biker-Gang, was in Kombination mit Genesis‘ extremen Stimmungsschwankungen jede Menge Zündstoff birgt. Die brüchige familiäre Harmonie ist somit nicht von Dauer, zumal Genesis die Sorge um seinen schüchternen Neffen Mana (James Rolleston) umtreibt: Gegen seinen Willen soll dieser in die Biker-Gang seines Vaters eingeführt werden. Trost und Ablenkung bietet jedoch bald seine eher ungewöhnliche Leidenschaft: das Schachspiel. Genesis verfügt über ein erstaunliches Talent – er beherrscht das Spiel der Könige wie ein Weltmeister. Als er die jugendlichen Mitglieder eines örtlichen Schachclubs kennenlernt, erhält er die Chance seine Gabe zu nutzen und beschließt die unterprivilegierten Kids zu trainieren und gegen jede Chance ins Finale der Junioren-Meisterschaften nach Auckland zu bringen. Durch Genesis und ihr gemeinsames Ziel schöpfen die Jugendlichen Hoffnung und finden Halt in ihrem oft instabilen Umfeld. Doch der Weg zur Meisterschaft ist weit und die Hürden erscheinen unbezwingbar hoch.
Filmkenner wissen, dass Neuseeland, trotz oder gerade wegen sein geringen Größe und Bevölkerung, immer gut für Film-Überraschungen ist. Und damit meine ich nicht unbedingt die Herr der Ringe-Trilogie. Im Gegenteil, es sind die Filme, die nicht im Mainstreamkino verankert sind wie z.B. Whale Rider (2002) oder jüngst auf der Berlinale 2016 Mahana. Dabei sind das die Filme, die – ja leider -, zu selten in Europa Fuß fassen. Doch gerade die, die es in die europäischen Kinos schaffen, feiern hier aus gutem Grund Erfolge. Dabei spielen die neuseeländischen Ureinwohner, die Maori, immer wieder eine zu Recht prominente Rolle in diesen Filmen. Das jüngste Beispiel ist der bereits 2014 erschienene Das Talent des Genesis Potini von Regisseur James Napier Robertson, der nun endlich seinen Weg in die deutschen Kinos gefunden hat.
Im Gegensatz zum eher romantischen und vor allem märchenhaft angehauchten Whale Rider, konfrontiert der Film von Robertson die Zuschauer mit den düsteren bzw. genaueren traurigen Lebensumständen der neuseeländischen Maori. Auch sie sind von den auf fast schon tragische Art und Weise klassischen Zivilisationskrankheiten betroffen. Alkohol und Jugendkriminalität haben auch vor ihnen nicht halt gemacht. Nicht vor den Erwachsenen und nicht vor den Jugendlichen. So scheinen all die Figuren im Film auf traurige Weise nicht nur verloren, sondern sind dabei sich immer mehr und mehr von ihren Traditionen zu entfernen. Begrüßungsriten, Bezeichnungen und Namen haben scheinbar ihre wahre Bedeutung verloren und sind nur ein ganz normales Wort im Satz geworden.
Da kommt Genesis Potini (der auf dem Leben des echten Genesis Potini basiert) auf die Bildfläche und schenkt den Jugendlichen des Schachclubs wieder einen Sinn und ein Ziel, in dem er sich zur Junioren-Meisterschaften nach Auckland bringen will. Dabei verbinden Genesis und auch der Film die Welt des Schachs auf wundervolle und mystische Art und Weise mit der Sagenwelt und den Traditionen der Maori. Und so gesehen, ist der Film als eine wundervolle Hommage an die Traditionen der neuseeländischen Ureinwohner zu sehen, mit dem Wunsch, dass diese nicht verloren gehen – und das auf erfreuliche Art und Weise von einem nicht-Maori inszeniert. Dabei plädiert der Film nicht dafür, dass die neue Lebensweise besser ist als die andere oder prangert dabei die europäische Gesellschaft an, sondern zeigt nur, dass diese alten Traditionen nicht verloren gehen dürfen. Und vor allem, und das ist wohl der wichtigste Punkt, der Zusammenhalt zwischen den Maori nicht in Vergessenheit geraten darf. Wie einst die noblen Ritter, die für eine gute Sache gekämpft haben. Und die noblen Ritter sind und müssen die Maori sein.
In seinen fast 2 Stunden Länge entwickelt der Film dabei eine wundervolle eigene Poetik in der Traditionen und harte Lebensrealität immer wieder und nicht zu selten auf schmerzhafte Weise aufeinander prallen. Einer Filmsprache, der man sich aber nur schwer entziehen kann. Und doch, am Ende gewinnt die noble Sache – auch wenn mit einem traurigen aber hoffenden blauen Auge. Und Genesis ist am Ende wohl auch der tragische Ritter und Retter, der für diese noble Sache gekämpft hat und wieder Hoffnung ins Königreich gebracht hat.
Kinostart: 16. Juni 2016
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