Ursprünglich gepostet am: 13. Juli 2016 auf filmosophie.com

Sie heißt Jacqueline und ist Fatahs ganzer Stolz. Ihr wunderschönes braunes Fell und ihre robuste Statur verleihen ihr etwas Majestätisches. Sie ist sein ruhiger, treuer, hin und wieder sturer Begleiter in allen Lebenslagen, nur ab und zu rutscht ihr ein kräftiges „Muuuhhh“ heraus. Fatah wiederum ist eigentlich genau das Gegenteil von Jacqueline: Er ist redselig, lebhaft, dazu klein und schmächtig gewachsen. Und doch sind die beiden ein unzertrennliches Paar!

Aber können Fatah und Jacqueline ihre erste gemeinsame Abenteuerreise meistern? Als Fatah nämlich eine offizielle Einladung von der Landwirtschaftsmesse in Paris erhält, um seine Kuh im Rinderwettbewerb zu präsentieren, scheint sein Lebenstraum in Erfüllung zu gehen. Eilig und siegessicher packt der algerische Bauer seine sieben Sachen und reist mit Jacqueline kurzerhand nach Frankreich. Kaum in Marseille angekommen, wird er von seinem Schwager versetzt und muss plötzlich die verbleibenden rund 800 Km zu Fuß bewältigen. Mit einer Kuh an der Leine und in einem Land voller ungewohnter Sitten und Umgangsformen?! Wo ein starker Wille ist, finden diese beiden einen Weg – sollte man meinen. Als mit den Tagen jedoch der Wettbewerbstermin bedrohlich nahe rückt und immer wieder neue Hindernisse auftauchen, die das Duo vor große Herausforderungen stellen, rückt der große Traum, dem man eigentlich so nahe ist, in weite Ferne…

Würde man dem französischen Titel des Films (La vache) folgen, dann wäre die Kuh Jacqueline die Hautdarstellerin des Films. Und vielleicht ist sie das auch. Aber nicht unbedingt weil sie viel zu sagen hat, sondern weil sie die treibende Kraft des Films ist. Und das auch nur weil sie das ein und alles ihres Besitzers Fatah (Fatsah Bouyahmed) ist. Aber der Film von Mohamed Hamidi ist mehr als nur ein „Buddymovie“ oder gar ein Roadtrip eines algerischen Bauern mit seiner Kuh. Er ist vielmehr ein Clash der Kulturen und dabei auch ein sehr amüsanter.

Das ist ironischste bei der ganzen Sache ist, dass die beiden Kulturen die hier auf einander prallen, eine gemeinsame Geschichte haben: die von Algerien und die von Frankreich. Und trotz der, sicherlich auch komplizierten, gemeinsamen (Kolonial)Geschichte, entpuppen sich die beiden Welt als zutiefst unterschiedlich. Und da ist nicht nur der algerische Bauer der sich in seiner Naivität zu Fuß von Marseille auf nach Paris macht. Nein, denn wäre dies der einzige Punkt dieses Films, wäre Unterwegs mit Jacqueline nur ein weiterer Film der sich über einen Kulturclash lustig macht. Der Film mag zwar sein Motivation aus diesen beiden Welten nehmen, doch dieser Aufeinanderprallen lebt zu einem großen Teil von der Darstellung des Hauptfigur Fatah, der mit seiner liebevollen Naivität und zugleich herzlichen Art nicht nur die Zuschauer begeistert, sondern auch die Menschen denen er auf dem Weg begegnet. Und gerade aus dieser Naivität entstehen viele der komödiantischen Momente im Film.
Und auch wenn der Film aus algerischer Sicht gemacht ist, sind es diese schönen Momente voller Leichtigkeit, die diesen Film wieder zum einem „typischen französischen“ und lebensbejahenden Film machen, der nicht nur beflügelt, sondern am Ende auch die ein oder Träne vergießen lässt.  Aber vielleicht ist das auch ein bisschen das Problem des Films, denn auf dramaturgischer Ebene finden sich durchaus die ein oder andere Schwäche und der Film speißt seine Kraft eben oft aus Fatahs Persönlichkeit und Art und Weise sowie diesen leichten und lustigen Momenten diese Kulturclashs.

Aber am Ende kommen beide Welten nicht ohne die andere aus und so gesehen scheint der Film wie eine kleine Versöhnung zu sein. Die Tatsache, dass es Fatah am Ende doch noch rechtzeitig schafft zur Agrarmesse zu kommen und die Herzen der Menschen erleuchtet, erscheint am Ende trotz der immer wiederkehrenden Bewunderung Fathas und des Films für Frankreich aber dann doch wie ein kleiner, und doch sympathischer Seitenhieb der ehemaligen Kolonie an das Mutterland Frankreich und ein Statement, dass es Zuhause in Algerien doch am Schönsten ist.

Kinostart: 14. Juli 2016