Ursprünglich gepostet am: 12. September 2016 auf filmosophie.com
Während die Mutter in der Entzugsklinik und der Vater mit seiner Assistentin auf „Geschäftsreise“ ist, verbringt der 14-jährige Außenseiter Maik Klingenberg (Tristan Göbel) die großen Ferien allein am Pool der elterlichen Villa. Doch dann kreuzt Tschick (Anand Batbileg) auf. Tschick, eigentlich Andrej Tschichatschow, stammt aus dem tiefsten Russland, kommt aus einem der Hochhäuser in Berlin-Marzahn – und hat einen geklauten Lada dabei. Damit beginnt eine Reise ohne Karte und Kompass durch die sommerglühende ostdeutsche Provinz. Die Geschichte eines Sommers, den wir alle einmal erleben wollen… Der beste Sommer von allen eben!
Ich muss zugeben, ich habe den erfolgreichen Bestseller des 2013 verstorbenen Wolfgang Herrndorf, der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, nicht gelesen. Wie ich nach Pressevorführung aber zumindest mitbekommen haben, war ich wohl auch nicht der Einzige im Saal.
Eine Situation, die aber durchaus auch von Vorteil sein kann. Denn in der Regel ist es so, dass wenn man als Zuschauer oder Kritiker die Verfilmung eines Buches sieht, das man eventuell auch mochte, dann liegt die persönliche Messlatte in der Regel recht hoch.
Ungeachtet meiner Unkenntnis über das Buch, habe ich das Gefühl, dass Fatih Akin wohl die beste Wahl als Regisseur für diesen Film ist. Zumal er auch nur in letzter Sekunde mit ins Boot kam, als die Filmcrew ein paar Wochen vor Drehbeginn auf einmal ohne Regisseur dastand. Ein Blick auf die Filme von Akin (Soul Kitchen, Im Juli, Gegen die Wand und viele andere) zeigt, dann man ihn durchaus aus als „Rock ’n‘ Roller“ unter den Regisseuren bezeichnen könnte. Und genau das tut seinem neuem Film besonders gut. Denn genau diese teils unbekümmerte, erfrischend junge Art Filme zu drehen, die genau wie der Rock ’n‘ Roll selbst als Stil eines Lebensgefühl ist, transportiert am Besten das Grundgefühl von Herrndorfs Buch. So wird dieser „beste Sommer aller Zeiten“ den Maik erlebt nicht zu einer pathetisch verklärten epischen Geschichte, sondern zu einer Sammlung von intensiven Schlaglichtern, die auf einen spannende Art und Weise alleine zwar interessant und skurril sind, doch erst in ihrer Gesamtheit den Geist des Films widergeben. Und das alles untermalt von der sehr passenden rockig-popigen Musik – wie so oft bei den Filmen von Akin.
Es ist auch diese Art von Akin, die den unbekümmerten und etwas schnoddrigen Dialogen von Herrndorf – besonders zwischen Maik und Tschick – nicht nur einen wundervollen unkonventionellen, teils anarchistischen Ton und Humor gibt, sondern eine interessante Grundstimmung. Dahingehend sind die Besetzungen von Göbel und Batbileg ein kleiner Glücksgriff.
Und auch wenn dieses Sommer Road-Movie durch die ostdeutsche Provinz, pardon Walachei, somit stilistisch gewollt eine Ansammlung von intensiven Schlaglichtern ist, ist es schade, dass das Zusammentreffen mit der jungen Isa (Mercedes Müller), die der Geschichte und vor allem der Figur von Maik eine interessante und spannende Intensität verleiht, so kurz ist. Doch im Grunde genommen gehören auch diese intensiven und vielleicht zu kurz kommenden Momenten zu einem der besten Sommer aller Zeiten.
Ob der Film am Ende aber nun ein typischer Fatih Akin Film ist oder doch eine gekonnte Verfilmung des Buches von Wolfgang Herrndorf, bleibt jedem einzelnen Zuschauer und Leser des Buches überlassen. Doch ein sehenswerter Film, der einen auf der einen Seite beschwingt aber auch wehmütig aus dem Saal gehen lässt, bleibt Tschick allemal.
Kinostart: 15. September 2016
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