Ursprünglich gepostet am: 26. September 2016 auf filmosophie.com
Der Regisseur, Künstler und erfolgreiche Oscar-Preisträger Pierre Bismuth wird erstmalig durch eine BBC Dokumentation auf Rocky II, einem aus Glasfaser geformten Fake-Felsen den Ed Ruscha in den 1970er irgendwo in der Mojave Wüste zwischen anderen echten Felsen versteckt hat, aufmerksam; ab 2009 begibt er sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen Artefakt. Er konfrontiert Ruscha bei einer Ausstellungseröffnung in London mit der Frage nach dem Verbleib des mysteriösen Felsens, aber der Künstler bleibt ihm eine Antwort schuldig. Damit entsteht die Idee zu einem Filmprojekt. Von Anfang an ist klar, dass Bismuth diese außergewöhnliche Geschichte nicht mit den herkömmlichen Mitteln eines Dokumentarfilms erzählen wird.
Im Verlauf der Geschichte begeben sich ein beharrlicher Privatdetektiv sowie die beiden gefeierten Hollywood-Drehbuchautoren D. V. DeVincentis und Anthony Peckham unabhängig voneinander auf die Suche nach dem gefälschten Felsbrocken.
Falls ihr dachtet, in diesem Film würde es um den 2. Teil der Rocky-Saga gehen, dann liegt ihr falsch. Ihr liegt ebenso falsch, wenn ihr glaubt, dass Pierre Bismuth (Drehbuch-Oscar für Eternal Sunshine of the Spotless Mind) in seinem Regie-Debüt irgendeine Frage beantworten würde. Die wohl einzige sichere Tatsache ist diesem Verwirrspiel auf verschiedenen Ebenen zwischen Kunst und Film ist wohl, dass der amerikanischen Pop-Art Künstlers Ed Ruscha diesen Fake-Felsen tatsächlich in der Wüste versteckt hat. So gesehen, ist die Eingangssequenz, in der Bismuth den Künstler Ruscha nach dem Verbleib des Felsens befragt (Ebene 1), eine der wenigen Ebenen, an der nicht zu zweifeln wäre.
Für die Suche nach dem Felsen engagiert der Regisseur einen Privatdetektiv (Ebene 2). Dem geschulten Zuschauer wird jedoch auffallen, dass diese Suche reeinsezniert bzw. fiktional gestaltet ist. Was per se kein Problem ist, doch spätestens als Bismuth mit den Drehbuchautoren DeVincentis und Peckham zusammenkommt (Ebene 3), um eben genau den Plot der Suche zu entwickeln, den man kurz davor und danach mit dem Privatdetektiv gesehen hat, wird auch die Suche an sich in Frage gestellt. Und desto mehr der Film voranschreitet, desto öfters schleichen sich flashbackartige fiktionale Szenen in den Film ein, die genau den Plot darstellen, den DeVincentis und Peckham gerade entwickeln (Ebene 5).
Als dann schließlich die beiden Drehbuchautoren über den Plot diskutierend auf einmal sprunghaft vom gemütlichen Garten in die unwirkliche Mojave Wüste springen (Ebene 6), wird klar, dass die Grenze zwischen den Ebenen immer mehr kollabiert und die vorher noch klare Unterscheidung zwischen Kunst und Film aufgehoben wird.
Wenn am Ende des Films dann schließlich der fertige Trailer zum von DeVincentis und Peckham erdachten Film über die Leinwand im Kino flimmert, beschleicht einen als Zuschauer der Verdacht, dass selbst die Aktion von Ruscha ein Fake sein könnte, denn schließlich zeigen selbst die Aufnahmen der BBC Dokumentation aus den 70er (oder zumindest das, was uns Bismuth davon zeigt) zwar, dass Ruscha und seine Mitarbeiter den Film in die Wüste bringen, aber nie wie sie ihn zwischen den Felsen platzieren.
Nachdem sich die Geschichte bei mir gesetzt hat, komme ich zu dem Gedanke das Bismuth mehr aus der Vermischung der Ebenen bzw. diesem Verwirrspiel mit dem Zuschauer hätte herausholen können, denn nüchtern betrachtet, sind die einzelnen Ebene schlussendlich dechifrierbar und werfen sicherlich auch Fragen auf, jedoch bleiben sie hinter den Erwartungen teilweise zurück. Mehr sogar, der Aufbau der verschiedenen Ebenen ist schon wieder konventionell und linear aufgebaut und präsentiert damit nichts Neues.
Schlußendlich greift aber Where is Rocky II? genau das Verwirrspiel von Wahrheit und Fiktion auf, das Ruscha mit seinem falschen Felsen bewirken wollte. Mehr sogar, wie auch das Eingangzitat von Ruscha andeutet, liest sich der Film – genau wie eben das Zitat selbst – wie ein Seitenhieb auf Hollywood und damit auf eine Maschinerie in der alle nur Fake ist und stellenweise so hochgehypte und hochstilisiert ist, wie das Geheimnis um den falschen Felsen.
Kinostart: 20. Oktober 2016
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